Kriminalität im Frankfurter Bahnhofsviertel

The Tiger · 19. Januar 2011

Kriminalität im Frankfurter Bahnhofsviertel
Der Kampf ums Milieu

Drogen, Prostitution, Kleinkriminalität: Das Frankfurter Bahnhofsviertel bestimmt den Ruf der Stadt mit. Die Polizei versucht seit Jahren dagegenzuhalten. Einige Erfolge gibt es schon. Der Straßenstrich macht jedoch weiter Sorge.
Von Katharina Iskandar

Es ist später Abend, als die Polizeiwagen sich dem Bahnhofsviertel nähern. Sie kommen aus allen Richtungen, besetzen die Zufahrtsstraßen, bilden einen Ring aus blauem Licht. Innerhalb von Sekunden kommt niemand mehr herein, niemand mehr heraus aus dem Quartier, in dem es sonst lebendiger zugeht als in anderen Teilen der Stadt. Für einen Moment steht das Bahnhofsviertel still.

Was sich in den nächsten Stunden abspielt, ist einmalig in der jüngeren Geschichte des Rotlichtdistrikts. Polizisten stürmen in die Bordelle, besetzen Kneipen, Wettbüros, Spielhallen und Häuser, die in Verdacht stehen, dass dort illegale Prostitution oder Drogenhandel zugelassen wird. Auf den Straßen halten die Beamten Passanten und Autos an, nehmen Personalien auf. In den Bordellen ist außerdem die Steuerfahndung mit dabei.
Bis etwa drei Uhr morgens dauert die Aktion. Mehr als 1000 Menschen werden kontrolliert. Am Ende sind 17 Personen festgenommen und zahlreiche Waffen wie Schlagringe und Schlagstöcke sichergestellt. Entdeckt wurde in einem der Bordelle auch ein 17 Jahre altes Mädchen aus Rumänien - das offenbar nicht freiwillig in dem Betrieb arbeitete.

Bordellbesitzer verweisen auf Straßenstrich

Im Bahnhofsviertel spricht man ungern über diese Nacht Ende Oktober. Die Bordellbesitzer werfen der Polizei vor, sie kriminalisierten die Branche. Statt der Bordelle solle die Polizei lieber den Straßenstrich kontrollieren. Ansonsten, so die latente Drohung, nehme man die Sache selbst in die Hand. Die Polizei hält dagegen, sagt, die Aktion sei berechtigt - das zeige allein schon der Fall der minderjährigen Osteuropäerin. Denn das Mädchen wurde ausgerechnet in einem jener Häuser gefunden, das sich sonst immer als „Vorzeige-Bordell“ rühmt.

Zustimmung findet die Polizei bei Anwohnern und Geschäftsinhabern, die schon seit längerem fordern, es müsse härter durchgegriffen werden im Milieu. Wie schnell die alltägliche Sorglosigkeit in Angst umschlagen kann, hat der Fall des im Mai vergangenen Jahres ermordeten Emeka Okoronkwo gezeigt. Ein junger Mann, der nach einem Kneipenbesuch an der Münchener Straße einen Streit schlichten wollte und dabei erstochen worden war. Wochenlang wurden Kerzen und ein Bild des Getöteten am Tatort aufgestellt. Obwohl es sich nicht um einen klassischen Milieumord handelte, reichte allein das Wort „Bahnhofsviertel“ als Tatort aus, um das Interesse an dem Fall auch überregional in die Medien zu bringen. Am Abend der Gedenkfeier, die Freunde für Emeka Okoronkwo an der Münchener Straße organisierten, gingen auch Anwohner an dem von Kerzen erleuchteten Bürgersteig entlang. Sie schauten auf das Bild des jungen Mannes und sagten, früher oder später habe so etwas ja passieren müssen. Man lebe nun in Angst.

Kontrolldichte verhältnismäßig hoch

Dabei ist die Polizei seit fast fünf Jahren in dem Viertel präsent wie zuvor lange nicht. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, die angespannte Sicherheitslage am Spielort Frankfurt, wirkt noch nach. Im Sommer 2006 gab es keine Straße, in der kein Streifenwagen zu sehen war - nicht nur wegen der nach wie vor florierenden Drogenverkäufe, sondern vor allem, um die Rotlichtszene im Blick zu haben. Danach ging die Kontrolldichte zwar zurück, ist aber immer noch verhältnismäßig hoch.

Es folgten Einzelaktionen. 2009 ging die Polizei gegen die Hütchenspielerszene vor, die sich nicht nur über Jahre hinweg hartnäckig gehalten hatte, sondern auch immer aggressiver wurde. Es gab Opfer, die nicht nur beim Spiel um ihr Geld erleichtert, sondern auch geschlagen und bis auf den letzten Cent ausgeraubt wurden. Inzwischen läuft deswegen ein Prozess gegen fünf Rumänen. Ein 47 Jahre alter Kosovo-Albaner, der der Gruppe angehörte, ist bereits wegen schweren Raubes zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Die Cousine zur Prostitution gezwungen

Einen ähnlichen Erfolg erhofft sich die Polizei nun im Kampf gegen die illegale Prostitution, was allerdings zu einer immer größeren Herausforderung wird. Mit der EU-Ost-Erweiterung kamen viele junge Frauen nach Deutschland, um durch sexuelle Dienstleistungen vermeintlich schnelles Geld zu machen. Viele der Frauen tun dies allerdings nicht freiwillig. Sie werden entweder von Hintermännern nach Deutschland gelockt oder aber von Brüdern oder Cousins zur Prostitution gezwungen. Die Polizei hat festgestellt, dass viele der jungen Rumäninnen und Bulgarinnen aus derselben Gegend oder sogar aus demselben Ort kommen.

Den Frauen wird versprochen, Arbeit zu finden. Wenn sie schließlich erfahren, wie diese tatsächlich aussehen soll, sind sie schon in Deutschland. Für eine Rückkehr gibt es dann kaum eine Chance. In Zwölf-Stunden-Schichten stehen sie an der Kaiserstraße oder in den kleinen Nebenstraßen des Frankfurter Bahnhofsviertels, den „Wasserstraßen“, in denen sich das Milieu ausgebreitet hat. Ihre Dienste bieten sie von zehn Euro aufwärts an - ein Preis, der sich schnell herumgesprochen hat bei den Freiern. Die tauschen sich in Internetforen aus, geben bekannt, welches Mädchen welche Dienste zu welchem Preis anbietet und wo die jeweiligen Frauen auf dem Straßenstrich zu finden sind. Diese entwürdigendste Seite des Geschäfts mit der Lust bekommen die Frauen oft gar nicht mit. Sie realisieren nur, wie groß die Nachfrage ist.

Tagesmiete von 130 Euro im Bordell

Die Ausweitung des Straßenstrichs ist nicht nur Anwohnern und Geschäftsinhabern, sondern insbesondere den Bordellbesitzern ein Dorn im Auge. Denn nicht nur die Freier blieben aus, auch viele Zimmer blieben leer, weil sich auch andere Frauen die Tagesmiete von 130 Euro sparen wollten und lieber auf der Straße anschaffen gingen.

Ihre Drohung, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen, wenn Stadt und Polizei nichts gegen die illegale Prostitution unternehme, haben Bordellbetreiber im vergangenen Jahr versucht, durch sogenannte Dreierstreifen wahr zu machen. Regelrechte Schlägertrupps wurden beauftragt, die Straßen vor den Bordellen „rein“ zu halten, damit die Freier wieder in die Häuser kämen. Bevor es jedoch zum Milieukrieg kam, griff die Polizei ein. Seitdem blieben die Gewaltexzesse aus.

Dennoch gewinnen Osteuropäer in der Szene offenbar weiter an Einfluss, der Trend wirkt sich inzwischen auch auf das Sicherheitsgefühl der Anwohner aus. Die Kaiserpassage wollen viele inzwischen nicht mehr betreten, weil vor dem Eingang regelmäßig Autos mit bulgarischem Kennzeichen geparkt sind und Männer vor aller Augen Geld oder Drogen hin- und herschieben. Mit der jüngsten Aufhebung der Visumpflicht für Bosnien und Albanien rechnet die Polizei mit weiteren „Zuwanderungen“ ins Milieu, die man kaum wird stoppen können.

Nur in Ausnahmefällen kooperationsbereit

Die Fahnder versuchen, an die Hintermänner zu kommen und die Wege zu erhellen, auf denen die Frauen nach Deutschland gebracht werden. Diese sind jedoch nur in Ausnahmefällen zur Kooperation bereit - die meisten schweigen aus Angst. Auch die Siebzehnjährige, die bei der jüngsten Razzia entdeckt worden war, machte keine Angaben, wie sie nach Frankfurt gelockt worden war.

Das zeigt, wie schwer die Szene zu überblicken sei, sagt der Leiter der Direktion Mitte, Willi Kostka. Der Polizist hat die Sicherheitsoffensive, die Stadt und Polizei gemeinsam initiiert haben, mitgestaltet. Die Offensive, die ursprünglich Ende 2010 enden sollte, gilt bisher als Erfolg und wurde nun bis zum Frühjahr dieses Jahres verlängert - mindestens. Bis April soll der Straßenstrich möglichst ganz aus dem Bahnhofsviertel verschwunden sein. Stattdessen sollen die Frauen an der Theodor-Heuss-Allee ihrer Arbeit nachgehen können - dem einzigen Ort in der Stadt, der kein Sperrgebiet ist.

Notrufsäule mit Direktschaltung ins Polizeipräsidium

Dort wurden bereits Sanitäreinrichtungen aufgestellt. Demnächst soll ein Nachtbus und eine Notrufsäule mit Direktschaltung ins Polizeipräsidium hinzukommen, so dass die Sicherheit der Frauen gewährleistet ist. Etwa ein Dutzend Frauen sind schon an den neuen Standort gewechselt. Weitere sollen folgen. Zudem versucht die Polizei, verstärkt Freier anzusprechen und sie in Kooperation mit dem Ordnungsamt abzumahnen, sollten sie Dienstleistungen vom Straßenstrich in Anspruch nehmen. Die Ansprachen haben bei einigen Männern schon gewirkt - vor allem bei jenen, die amtliche Post wegen der „Ordnungswidrigkeit“ nach Hause geschickt bekommen haben.

Obwohl der Kampf gegen die Kriminalität im Frankfurter Bahnhofsviertel schon Jahrzehnte dauert, wollen Polizei und Stadt weitermachen. Auch Fußstreifen sind im Viertel wieder verstärkt unterwegs, um Präsenz zu zeigen. Weitere Razzien sind nicht ausgeschlossen.

„Die Schritte, die wir machen, sind klein, aber keinesfalls wirkungslos“, sagt Kostka. Im Milieu um den Hauptbahnhof muss man langfristig denken. Und darauf setzen, dass wie im Kampf gegen die Drogenkriminalität der „Frankfurter Weg“ letztlich doch erfolgreich sein wird.
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Quelle: http://www.faz.net/s/RubFAE83B7DDEF...63906D1D2DFB4DA3CD~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Tigerhai · 23. Januar 2011

Das stimmt doch nicht....

Ihre Dienste bieten sie von zehn Euro aufwärts an - ein Preis, der sich schnell herumgesprochen hat bei den Freiern. Die tauschen sich in Internetforen aus, geben bekannt, welches Mädchen welche Dienste zu welchem Preis anbietet und wo die jeweiligen Frauen auf dem Straßenstrich zu finden sind. Diese entwürdigendste Seite des Geschäfts mit der Lust bekommen die Frauen oft gar nicht mit. Sie realisieren nur, wie groß die Nachfrage ist.
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Ich kann alles verstehen aber was ich hier zitiert habe stört mich tierisch. Als ob wir Freier die Frauen respektlos behandeln und als Dreck sehen. Natürlich gibt es Ausnahmen aber man kann nicht generell davon ausgehen dass alle Freier so sind.

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