ICRSE, das Internationale Komitee für die Rechte von Sexarbeiter_innen in Europa ruft alle seine Mitglieder-Organisationen, Einzelpersonen, Sexarbeiter_innen und Verbündeten auf, um zusammenzustehen und gemeinsam gegen die jüngsten Morde an Jasmine und Dora, die heftige Attacke gegen Ela und gegen Gewalt gegen Sexarbeiter_innen in Europa und weltweit zu protestieren. GEWALT GEGEN SEXARBEITER_INNEN MUSS AUFHÖREN! Türkei und Schweden waren in dieser Woche die Bühne von gewalttätigen Morden an Sexarbeiter_innen - aber die Gewalt ist konstant. In Italien wurden seit Anfang des Jahres drei Sexarbeiter_innen ermordet. In Frankreich wurden Kassandra und Karima ermordet bzw. begangen Selbstmord. Wir rufen alle unsere Freunde und Familien auf, um gegen systemische transphobe Morde und Gewalt in der Türkei und weltweit zu protestieren. Dora, eine transsexuelle Sexarbeiterin wurde diese Woche getötet; Ela, eine weitere transsexuelle Sexarbeiterin angeschossen; einen ihrer Arme wird sie nicht mehr benutzen können. Dora ist das 31. transgender Opfer von gewalttätigen und tödlichen Angriffen in der Türkei seit 2008. Wir rufen alle unsere Freunde und Familien auf, um gegen das schwedische Modell zu protestieren, das dafür sorgte, dass Jasmine die Kinder weggenommen wurden und das Sorgerecht ihrem gewalttätigen Ex-Ehemann zugesprochen wurde, der sie schließlich ermordete. Sozialarbeiter_innen und der schwedische Staat weigerten sich, Jasmine zuzuhören. Warum einer Sexarbeiterin zuhören, die nicht weiß, was gut für sie ist? Dieses kriminelle System kostete Jasmine ihr Leben. In jedem Land, in Europa und auf der ganzen Welt, werden Sexarbeiter_innen ermordet, weil unser Leben als weniger wert angesehen wird als das anderer. Wir werden nicht als gleichberechtigte Bürger_innen angesehen und diese staatliche Diskriminierung rechtfertigt für viele das Stigma und die Gewalt, unter der wir leiden. Es ist Zeit, NEIN zu jeglicher Gewalt gegen Sexarbeiter_innen zu sagen! NEIN dazu, das man uns zum Schweigen bringen möchte! NEIN zum Wegnehmen unserer Kinder! KEINE weiteren Angriffe, Vergewaltigungen und Morde! Am Freitag, den 19. Juli, werden in vielen Ländern auf der ganzen Welt Proteste stattfinden. Wir ermutigen ICRSE Mitglieder und alle Organisationen und Einzelpersonen Demonstrationen, Proteste und Aktionen vor türkischen, schwedischen und italienischen Botschaften oder vor anderen symbolischen Orten zu organisieren. ICRSE wird auf der Facebook-Event-Seite stetig neue Informationenen über die Proteste zur Verfügung stellen, wie z.B. eine ICRSE Pressemitteilung, Fotos, welche Ihr möglicherweise braucht usw. Wenn Ihr in irgendeiner Weise Hilfe benötigt oder Fragen habt, postet diese auf der Seite, damit andere Euch helfen können. https://www.facebook.com/events/552582234799603/ In Solidarität ICRSE Rest in Peace Jasmine und Dora
Doppelmoral gefährdet Haidy Damm über den Protest der Prostituierten Wenn am Freitag in mindestens 25 Städten Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter gemeinsam mit Aktivisten auf die Straße gehen, um für ihre Rechte zu demonstrieren und an ihre ermordeten Kolleginnen zu erinnern, werden sich ihnen wahrscheinlich nicht sehr viele Menschen solidarisch anschließen. Sexarbeit gilt überwiegend noch immer als schmutziges Geschäft, als anrüchig, sie wird mit Menschenhandel in einen Topf geworfen und mit einer Beschreibung sicher nicht belegt: selbstbestimmte Arbeit. Dabei handelt es sich um eine Dienstleistung, in der die dort Arbeitenden - ob Männer, Frauen oder Transsexuelle - genau die gleichen Rechte auf einen sicheren und angemessen bezahlten Job haben wie andere. In der vergangenen Woche starben zwei Prostituierte, eine von ihnen war jahrelang als Aktivistin für die Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern bekannt. »Wir werden ihren Kampf weiterführen«, sagen ihre Mitstreiterinnen. Sie werfen gerade der schwedischen Gesellschaft Doppelmoral vor, da sie einerseits Geschlechtergerechtigkeit und Respekt für Minderheiten als hohe Werte propagiere, andererseits seit der Gesetzesänderung von 1999 Prostituierte kriminalisiere. Mit paternalistischer Argumentation sollen die »armen Frauen« geschützt werden, statt ihnen als Arbeitende selbstverständliche Rechte zuzuerkennen - das Recht auf Unversehrtheit der Person sollte dabei selbstverständlich sein. Transsexuelle Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind dabei noch höheren Risiken ausgesetzt, da sie die heterosexuelle Norm durchbrechen und bereits als Transsexuelle stigmatisiert werden. Das gilt übrigens in der gesamten Arbeitswelt. In einem Land wie der Türkei, so sagen Aktivisten vor Ort, sei die Diskriminierung von Transsexuellen weit verbreitet, besonders in der Sexarbeit kann diese Diskriminierung eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten, wie ein weiterer Angriff in dieser Woche auf eine Trans-Sexarbeiterin in Ankara zeigt, die von einem Kunden angeschossen wurde. Die Angriffe zeigen: Diese Doppelmoral kostet Menschenleben. Es ist daher gut, dass öffentlich protestiert wird. Und es ist wichtig, sich solidarisch zu beteiligen. Quelle
Weltweiter Protest von Sexarbeiterinnen am 19. Juli 2013 15 Uhr vor den Botschaften Schweden und Türkei Auch in Deutschland, genauer gesagt in Berlin, haben Kolleginnen und Kollegen zusammen mit Vertretern der Transgenderorganisationen und Engagierten Bürgern an diesem Protest teilgenommen. In der Türkei wurde am 9. Juli Dora eine Transgender-Kollegin ermodet und nur zwei Tage später am 11. Juli Petite Jasmine in Schweden. Besonders tragisch, da sie von ihrem gewalttätigen Ehemann ermordet wurde, der nach der Scheidung das Srgerecht für die gemeinsamen Kinder zugespochen bekam. Jasmine wurde auf Grund ihrer Tätigkeit und als Aktivistin der schwedischen Sexworker Rose Alliance unterstellt nicht fähig zu sein, ihre Kinder zu erziehen. Jahrelang kämpfte sie für ein Besuchsrecht Behörden und Sozialarbeiter warfen ihr vor den Beruf Sexarbeiterin zu romantisieren und missachteten all ihre Warnungen über die Gewaltätigkeit ihres Exmannes. Das Schwedische Gesetz soll Sexarbeiterinnen schützen.... Wie gut das gelingt sieht man drastisch in diesem Fall. Wenn man Sexarbeiterinnen quasi "entmündigt" und ihnen unterstellt, sie wüssten nicht was gut für sie ist, sie wären krank, nimmt man ihnen alle Rechte, und macht sie dadurch schutzlos! Links Bilder vom Protest in Deutschland Bilder von weltweiten Protesten
Press Release from ICRSE Press Release from the International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe (ICRSE): From Turkey to Sweden, recent murders and violent attacks on sex workers spark an unprecedented wave of international action calling for an end to stigma and criminalisation. Last week, with one day apart, members of the International Committee on the Rights of Sex Workers (ICRSE) learned of the violent murders of two women. On Tuesday, Dora, a trans woman and sex worker in Kusadasi, Aydin in Turkey was stabbed by a client. On Thursday, Jasmine, a mother of two children and a sex worker, was also stabbed – by her ex-husband. ICRSE and all its members are offering its condolences to all family members, friends and colleagues of Dora and Jasmine. But the sadness and grief that those murders provoke has also raised activist anger and revolt at the systems worldwide that fail to protect sex workers from discrimination, violence and murder. Those two tragic deaths should be a wake –up call for all of us: human rights defenders, feminists, LGBT activists, policy makers and anyone who refuses a world where people – because they are selling sexual services – are seen as less worthy of human dignity and respect and therefore more likely to be seen as unfit mothers by the state, or to be the victims of brutal and heinous crimes. 1. Red Umbrella Sexual Health and Human Rights Association, an ICRSE member organisation in Turkey wrote: “Violence against trans sex workers in different forms has been a common and widespread reality in Turkey. The overall reported incidents of trans sex workers murders has been 31 between 2008 – 2012 in Turkey, constituting the highest number in Council of Europe states. Another case that we have experienced this week was the violent attack of another trans sex worker from Ankara – Ela – who was shot by gun from her arm by one of her clients and she may lose the functioning of right arm. The Turkish Government must take every necessary step to ensure trans sex workers from violence”. 2. Rose Alliance, an ICRSE member and sex worker organisation on which Jasmine was on the Board: “Our board member, fierce activist and friend Petite Jasmine got brutally murdered yesterday (11 July 2013). Several years ago she lost custody of her children as she was considered to be an unfit parent due to being a sex worker. The children were placed with their father regardless of him being abusive towards Jasmine. They told her she didn’t know what was good for her and that she was “romanticizing” prostitution, they said she lacked insight and didn’t realise sex work was a form of self-harm. He threatened and stalked her on numerous occasions; she was never offered any protection. She fought the system through four trials and had finally started seeing her children again. Yesterday the father of her children killed her. She always said “Even if I can’t get my kids back I will make sure this never happens to any other sex worker”. We will continue her fight. Justice for Jasmine!” Sweden, with its reputation of gender equality, transparent government and respect for minorities, is also known for passing the 1999 law that criminalises the clients of sex workers. In considering all sex workers as victims and all clients as abusers, the Swedish state denies agency of women selling sexual services. This paternalistic approach, aggressively promoted to other countries as “protecting women” actually led to an attitude that infantilises women and discredits their choices and experiences, and has led to the violation of the human rights of women. Women caught selling sex are seen as unfit mothers and subsequently have their children forcibly taken away from them, and denied housing and and disregarded as victims of false consciousness and male violence, an approach that fundamentally denies their agency and their own articulation of their experiences The Swedish State and its so-called social workers preferred to give custody of two children to a man known for his violent and abusive tendencies instead of their mother because she was a sex worker and according to them, didn’t know what was good for her or her own kids. Despite her warnings that the man was violent, she had to go through four court cases and in her final years she barely saw them due to her husband refusing to work with the system that granted her access. When she finally met with her son in in July 2013, their father stabbed her to her death. In one final moment of mother instinct, Jasmine was said to have made sure that her son was out of sight as she noticed her husband was about to become increasingly aggressive. The story of Dora, a transgender sex worker in Turkey was a different setting however noticeably still connected in that stigma and discrimination played a huge part in the impunity with which her attacker would murder her. More conservative than Sweden and with a noticeably poor record on human rights, gender equality and respect of minorities, Turkey is also failing to protect sex workers from violence. Though prostitution is not illegal in Turkey when operated from brothels (one by one shut down by the government to satisfy public morality, and by consequence, leaving more women to work, unsafely, in the streets) the stigma faced by trans women is so high that very few found ways of making a living other than through sex work. Kemal Ordek, chair of Red Umbrella Sexual Health and Human Rights Association said, “Discrimination against trans women in education and employment sectors is widespread. Many trans women end up in doing sex work under risky environments. Sex work is regulated in Turkey in a manner which paves the way to criminalise those unregistered sex workers – even though the laws does not require so – as any step taken in relation to sex work is criminalised under the Turkish Penal Code. The police are generally one of the perpetrators of violence, pushing sex workers under more risky environments where they are more open to violence from people posing as clients or gangs.” The 31 reported murders of trans women in Turkey in the last five years is likely to be far lower than the real number.” And so it happened that in two countries with completely different approaches are employed to sex work, gender equality and trans recognition, only two days apart, two sex workers were fatally stabbed. Neither of these approaches to sex work recognise that stigma and discrimination against sex workers leads to violence and abuse, and rather than the state condoning and perpetuating this stigma, states must work with sex workers to challenge the marginal status of sex workers. Societies and government, in Europe and worldwide, need to question what they are doing wrong and what they should change so that the stigma and violence against sex workers finally ends. In the words of Jasmine’s mother, “My lovely daughter, they did you so wrong – they stole you from your children, they stole you from me. I will do whatever I can to fight your fight. And I promise i will do whatever it takes to see your children, my grandchildren safe with me. I know who held the knife, but they might as well have put it in his hands! My love – you will live on forever in our hearts and souls – and we will keep your candle burning” In response to these murders and continual violence, and in memory of Jasmine and Dora, sex workers and allies across the world have mobilised to create a mass spontaneous international day of action and memorial. In London, Edinburgh, Glasgow, Brighton, Berlin, Vancouver, Helsinki, Canberra, and Västerås in Sweden – a total of 24 cities over three continents so far – sex workers will gather outside the embassies and consulates of the Swedish and Turkish governments, or in parks or public places to protest what has been called the state-condoned murders of Jasmine, Dora, and so many others. Enough sex workers have suffered or died because of stigma and criminalisation. We demand change! Shame on Turkey! Shame on Sweden! Violence against sex workers must stop. Luca Stevenson (ICRSE) + Pye Jacobsson (Rose Alliance) CONTACT: Luca Stevenson, ICRSE Coordinator info@sexworkeurope.org / +44 7821 540 004 Quelle ICRSE
Prostitution - Das Stigma tötet Sonja Dolinsek 21.07.2013 Prostitution: Das Stigma tötet Sexarbeit Nach dem tragischen Mord an zwei Sexarbeiter_innen wurde am vergangenen Freitag weltweit ein Protesttag gegen Gewalt gegen Sexarbeiter_innen organisiert. Jasmine war 27, Mutter von zwei Kindern, Sexarbeiterin sowie Aktivistin für die Sexworker-NGO Rose Alliance. Vor zwei Wochen wurde sie von ihrem Ex-Ehemann ermordet. Schon oft hatte sie versucht Anzeige wegen häuslicher Gewalt zu erstatten. Nebenher lief ein langwieriger Sorgerechtstreit. Ihr Ex-Ehemann erlaubte ihr nicht, die gemeinsamen Kinder zu sehen. Doch man glaubte ihr - einer „Hure“ - nicht und ihr zukünftiger Mörder erhielt letztendlich das alleinige Sorgerecht mit der Begründung, dass eine Sexarbeiterin als Mutter nicht geeignet sei. Das ereignete sich in Schweden, wo Geschlechtergerechtigkeit und Feminismus allen Frauen ein besseres Leben ermöglichen sollte, dort wo der Kauf von sexuellen Dienstleistungen „zum Schutz der Frauen“ in der Prostitution verboten ist, wo aber ein schweres Stigma weiterhin über Sexarbeiterinnen schwebt: Bis zu ihrem Tod und darüber hinaus. Dora war 24 Jahre alt, eine Transfrau und ebenfalls Sexarbeiterin. Sie wurde vor zwei Wochen in der Türkei ermordet, wo sie der staatlich geduldeten Transphobie zum Opfer gefallen ist. Richard Köhler von Transgender Europe sprach in einem Artikel von systematischen Morden von TransMenschen in der Türkei. Manche sprechen gar von einem Massaker und von Hassverbrechen. Weltweit gab es Proteste vor der schwedischen und türkischen Botschaft Die Morde lösten eine weltweite Protestwelle unter Sexarbeiter_innen und LGBT-Menschen und Organisationen aus, die jedoch nur geringe mediale und zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit und Unterstützung erfuhr. Auch in Berlin fand am vergangenen Freitag ein Protest vor der schwedischen Botschaft statt, an dem sich ca. 50 Menschen beteiligten. Proteste gab es in vielen Sädten weltweit, doch nur jene in Australien, Frankreich, Großbritannien und Italien schafften es in die Medien, auch in die schwedischen Medien hier (Englisch), hier und hier. Sie protestierten gegen Gewalt und Morde an Sexarbeiter_innen. Schuld daran sei die gesellschaftlich verbreitete und akzeptierte Stigmatisierung von Prostituierten. Auch Rechte von Sexarbeiter_innen sind Menschenrechte, so ihr Slogan. Die europäische Sexworker-Organisation ICRSE schrieb in einer Pressemitteilung: „In jedem Land, in Europa und auf der ganzen Welt, werden Sexarbeiter_innen ermordet, weil unser Leben als weniger wert angesehen wird als das anderer. Wir werden nicht als gleichberechtigte Bürger_innen angesehen und diese staatliche Diskriminierung rechtfertigt für viele das Stigma und die Gewalt, unter der wir leiden.“ Wir brauchen eine neue Debatte über Sexarbeit: Verbote verstärken Stigmatisierung und Ausgrenzung Dort wo Prostitution und Sexarbeiter_innen gesellschaftlich geächtet werden, dort wo sie kriminalisiert und unter staatliche und polizeiliche Kontrolle gestellt werden, dort wo sie als Menschen zweiter Klasse gesehen werden, ist die Gewalt gegen Sexarbeiter_innen am größten. Auch das sogenannte schwedische Modell, das nur Kunden kriminalisiert (obwohl bisher deshalb noch niemand inhaftiert wurde, so die neueste Polizeistatistik), basiert auf einer vollständigen Ablehnung der Prostitution. Sexarbeiter_innen, die dort dennoch unter erschwerten Bedingungen Sexarbeit ausüben wollen, werden geächtet – in erster Linie durch jene Feminist_innen, die sich gegen Prostitution einsetzen. Kaum eine feministische Organisation in Europa hat sich anlässlich der beiden Morde und der Proteste solidarisch gezeigt. Keine einzige Organisation, die sich für Frauenrechte engagiert oder für die ermordeten Sexarbeiter_innen getrauert – obwohl sie sich eigentlich genau für sie und ihre Rechte einsetzen. Warum haben sie geschwiegen? Viele feministische Organisationen und auch der schwedische Staat betrachten Prostitution als "Gewalt gegen Frauen" und wollen Prostitution abschaffen – ein Projekt, das nur mit Verboten und Repression und einem Ausschluss von Sexarbeiter_innen aus demokratischen Prozessen und der Gesellschaft umgesetzt werden kann. Die Folgen von einem solchen Modell kann man in den USA beobachten, wo jährlich zwischen 60.000-80.000 Prostituierte inhaftiert werden, die private Gefängnisindustrie am Leben halten und, neben Vergewaltigern und Vertreibern von Kinderpornographie, in die Sexualstraftäter-Datei eingetragen werden. Dieser Verbots-Ansatz führt zu einer vollständigen Rechtlosigkeit und Ausgrenzung der Sexarbeiter_innen, die somit ungeschützt bleiben, da sie in erster Linie als Kriminelle gelten. Wer auch immer das deutsche Prostitutionsgesetz kritisiert, sollte sich das amerikanische Modell gut vor Augen führen: In Deutschland kann eine Sexarbeiter_innen Gewalt und Vergewaltigung anzeigen, in den USA nicht – sie ist der Gewalt rechtlos ausgeliefert. Auch gibt es in den USA mehr Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung als in Deutschland, obwohl jegliche Tätigkeit um die Prostitution verboten ist. Es gibt Menschen, die sich Sexarbeit nicht vorstellen können und deshalb glauben, auch Sexarbeiter_innen vorschreiben zu dürfen, was sie mit ihrem Körper machen dürfen und was nicht. Doch diese Ideologie des Paternalismus und der Bevormundung, die vor allem der westliche, weiße Feminismus tief in sich trägt und meist jeglichen Versuchen der Selbstreflexion standhält, ist aus meiner Sicht mit einer pluralistischen Demokratie nicht vereinbar. Wir haben nicht das Recht über Entscheidungen anderer Menschen zu urteilen. Wenn wir uns unbedingt mit ihrem Leben beschäftigen wollen, dann dürfen wir das nur mit ihnen gemeinsam machen. Jener Feminismus, der Prostitution abschaffen will (es gibt ja schließlich auch andere Feminismen), muss sich in einer Demokratie darauf einstellen, dass er nicht das Monopol über die Definitionsmacht dessen hat, was Frauenrechte sind und wie Frauen diese Rechte umsetzen. Der Tod von Jasmine und Dora ist die Verkörperung des Scheiterns dieses Feminismus, der vergessen zu haben scheint, dass das Patriarchat jahrhundertelang genau das gemacht hat, was er nun selbst macht: Über den Köpfen von Frauen und Prostituierten zu entscheiden; Frauen und Menschen, die anderer Meinung sind, zum Schweigen zu bringen und über sie zu verhandeln, ohne sie fragen: „Wie siehst Du das?“ Dieser Feminismus benötigt dringend eine Demokratisierung, auch er muss auch Sexarbeiter_innen zuhören. Melanie, Mutter, Sexarbeiterin und Aktivistin sagte anlässlich des Protesttages in Berlin: "Erst nahm man ihnen das Recht, für sich selbst zu sprechen und nun bringen die Medien und die Politik sie noch über den Tod hinaus zum Schweigen,indem sie sie ignorieren. Wir müssen gegen dieses Stigma kämpfen und der ganzen Welt zeigen: Seht her, diese Menschen könnten noch leben, hätte man ihnen zu Lebzeiten zugehört und ihre Rechte ernst genommen, statt sie mit Füßen zu treten. Wir brauchen keinen Schutz vor unseren Freiern sondern vor der Gesellschaft, dessen falsches Bild von Prostitution nur mit ausgewogener Berichterstattung und Rechten statt Verboten korrigiert werden kann." Quelle Der Freitag
Tanja, bezüglich "Wegnehmen der Kinder" - ich habe gerade das Buch von Janine Kunze gelesen (das ist die scharfe Blondine bei Hausmeister Krause gewesen), die selbst auch das Kind einer Prostituierten ist und die Mutter hat das Kind an eine Pflegefamilie abgegeben, da sie selbst erkannte, dass sie in ihrem Job nachts arbeiten, tags schlafen nunmal keine gute Mutter sein kann. Insofern kann ich das schwedische Gericht schon verstehen, wenn es sagt, dass bei einer DL ein Kind nicht immer gut aufgehoben ist. Dass der Mann dann gewalttätig ist, ist natürlich in diesem Fall besonders blöde... Jedoch grundsätzlich verstehe ich die Entscheidung. Transenmorde in der Türkei. Nun gut, bei allen Rechten, die formal auf dem Papier stehen, ist es nunmal so, dass wenn man sich in einer Gesellschaft weit aus dem Fenster lehnt, man auch Risiken eingeht. Die türkische Gesellschaft ist noch nicht da, wo wir sind "ich toleriere alles, egal, ob es gut oder schlecht für mich ist", deswegen sind solche Opfer die Wegbegleiter / Randerscheinungen in eine neue Zukunft, in der die Transen wahrscheilich in der Türkei als gleichwertige Türken akzeptiert werden. Der Sache muss man Zeit geben. Das ist so wie mit den Aposteln, Missionaren usw., die ersten gehen immer hopps.